
Stempel des SMT Nr. 48240, des obersten sowjetischen Militärtribunals in der DDR
Erschossen in Moskau…
Die deutschen Opfer des Stalinismus auf dem Moskauer Friedhof Donskoje 1950-1953
Im Südwesten der russischen Hauptstadt Moskau liegt der Friedhof Donskoje. Anfang der 1990er Jahre wurde bekannt, dass sich dort Massengräber von etwa zehntausend Opfern des Stalinismus befinden.
Seitdem versucht die russische Menschenrechtsorganisation Memorial, das Schicksal der Menschen aufzuklären, die zwischen 1935 und 1953 vom sowjetischen Geheimdienst in Moskau hingerichtet und auf dem Friedhof verscharrt wurden. Die Hingerichteten stammten aus allen Teilen der Sowjetunion und ihres Machtbereichs. Die größte Gruppe der ausländischen Opfer in den Jahren 1950-1953 waren nach Angaben von Memorial Deutsche. In einem deutsch-russischen Forschungsprojekt konnte das Schicksal von 928 deutschen Opfern geklärt werden. Die Ergebnisse dieser langjährigen Forschungsarbeit werden in der Ausstellung präsentiert.
Wer waren die Ermordeten? Weshalb wurden sie verfolgt und hingerichtet? Wie gelangten ihre sterblichen Überreste auf den Friedhof von Donskoje?
Diesen Fragen geht die Ausstellung nach. Sie zeigt exemplarische Schicksale von Opfern und erzählt die Geschichte ihrer Familien, die jahrzehntelang im Ungewissen über den Verbleib ihrer Angehörigen waren.
Kapitelübersicht
Die Kapitel 2 bis 4 der Ausstellung dokumentieren die Verfolgung und den Weg der Opfer von Deutschland in die Sowjetunion. Die Kapitel 5 bis 9 informieren anhand ausgewählter Biografien über verschiedene Gruppen von Verfolgten und die Kapitel 10 bis 12 thematisieren die Vollstreckung der Urteile, die Bestattung auf dem Friedhof Donskoje und die jahrelange Suche der Angehörigen sowie das Forschungsprojekt.
1. Ausstellung Erschossen in Moskau…

Auf dem Moskauer Friedhof Donskoje wurden in den 1990er Jahren Massengräber aus der Stalinzeit entdeckt. Memorial recherchierte die Namen der Opfer. Die Ergebnisse eines Forschungsprojektes zu den 928 deutschen Opfern der Jahre 1950-1953 werden in dieser Ausstellung präsentiert.
2. Geteiltes Deutschland

Nach dem Zweiten Weltkrieg teilten die Alliierten Deutschland in vier Besatzungszonen auf. Deutschland wurde zum Schauplatz ideologischer Auseinandersetzungen im Kalten Krieg. 1949 wurden die beiden deutschen Staaten gegründet. In der DDR etablierte sich ein stalinistisches System.
3. Verfolgung durch die Geheimdienste

Das 1950 gegründete Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR wurde nach sowjetischem Vorbild aufgebaut. Es übernahm Feindbilder und Methoden, verfolgte Systemgegner und arbeitete eng mit den sowjetischen Organen zusammen.
4. Sowjetische Militaerjustiz in der DDR

Trotz der 1949/1950 erfolgten Übergabe der Strafvollstreckung an die DDR verurteilten sowjetische Militärtribunale noch bis 1955 Deutsche. Zwischen 1945 und 1955 wurden ca. 40.000 Urteile ohne rechtsstaatliches Verfahren gegen deutsche Zivilisten gefällt, darunter ca. 3.000 Todesurteile.
5. Feinde und Spione

In der DDR bestimmten SED und Sicherheitsorgane willkürlich, wer ein „Feind“ war. Vage Vorgaben und Strafgesetze ermöglichten Verfolgung von Kritikern, unabhängig von tatsächlicher Schuld. Selbst NS-Opfer gerieten ins Visier, ihre Vergangenheit bot ihnen keinen Schutz vor erneuter Verfolgung.
6. „Agenten“ des Westens

Westliche Geheimdienste gewannen gezielt Informanten in der DDR, die aus Protest, Abenteuerlust oder finanziellen Interessen kooperierten. Auch die KgU sammelte Informationen und leitete sie an die CIA weiter. Geheimdienste beider Seiten bemühten sich gleichermaßen um gegenseitige Unterwanderung.
7. Jugendliche in Opposition

Unter den in Moskau Erschossenen waren viele Jugendliche, die sich für Freiheit und gegen die Indoktrination durch die FDJ engagierten. Einige suchten Kontakt zu westlichen Organisationen, kritisierten das DDR-Regime und setzten ihren Protest auch nach der Flucht im Westen fort.
8. „Gegner“ in den Eigenen Reihen

Auch überzeugte Sozialisten, darunter SED-Mitglieder und Volkspolizisten, distanzierten sich angesichts der wachsenden Diktatur vom Staat. Durch Denunziation oder Zufall gerieten sie ins Visier der Geheimdienste und wurden Opfer von Säuberungen.
9. Verbotene politische Arbeit

Im Sommer 1945 erlaubte die sowjetische Besatzungsmacht Parteien. Die 1946 erfolgte Zwangsvereinigung von KPD und SPD zur SED veranlasste viele Mitglieder anderer Parteien zur Gegenwehr. Westdeutsche Ostbüros verschiedener Parteien unterstützten Verfolgte, was SED und Geheimdienste als Spionage werteten und harte Repressionen auslöste.
10. Vollstreckung der Urteile

Nach Verurteilung durch die SMT wurden die Häftlinge nach Moskau gebracht. Nur wenige Todesurteile wurden später in Haftstrafen umgewandelt. Die Todeskandidaten wurden nachts im Butyrka-Gefängnis erschossen, ihre Asche anonym im Massengrab auf dem Donskoje-Friedhof beigesetzt.
11. Suche nach den Verschwundenen

Angehörige suchten jahrzehntelang vergeblich nach den Vermissten, da Behörden nicht reagierten oder falsche Infos gaben. Erst ab 1990 brachten offene Archive Klarheit. Seit 1991 ist eine Rehabilitierung der in Moskau ermordeten Deutschen durch russische Gerichte möglich.
12. Forschungsprojekt zum Friedhof Donskoje

Nach 1990 wurde das Schicksal der in Moskau Erschossenen erforscht. Memorial veröffentlichte 1992 zunächst ein erstes russisches Totenbuch, 2004 folgte das Forschungsprojekt zu den deutschen Opfern des Stalinismus. 2008 erschien das überarbeitete Totenbuch mit 927 Biografien, das 2023 als digitale Version erschien.